FLOWO: Liebe Frau Fink, Sie haben vor kurzem ein Buch veröffentlicht: Worum geht es darin?
Johanna Fink: Im Buch geht es um die Frage, warum Karriere in Teilzeit immer wichtiger wird, wie das Modell funktionieren kann und was (zukünftige) Teilzeitführungskräfte beachten können, um das Modell für sich und das Unternehmen zum Erfolg zu machen. Wichtig war mir, einen Ratgeber zu schreiben, der potenzielle Teilzeitführungskräfte ermutig, mit wichtigem Wissen und Erfahrungen versorgt und für Frauen und Männer sowie ältere und jüngere Mitarbeitende passende Antworten findet.
Was hat Sie dazu inspiriert, ein Buch über Führung in Teilzeit zu schreiben? Und wie sind bisher die Reaktionen ausgefallen?
Inspiriert haben mich neben meinen eigenen Erfahrungen die Gespräche mit Teilzeitführungskräften, Expert:innen und Unternehmensvertreter:innen, die ich seit 2021 im Podcast TEILZEIT TALENTE geführt habe. Durch diese Gespräche habe ich selbst nochmal viel über das Konzept gelernt und auch gemerkt, wie groß der Bedarf nach Gesprächen und Austausch ist. Gleichzeitig ist mir bei meinen eigenen Recherchen aufgefallen, dass es bisher nur sehr wenige Sachbücher zum Thema gibt, die sich dann in der Regel auch auf ein bestimmtes Arbeitsmodell wie das Topsharing, beschränken. Die Reaktionen der Leser:innen und der Medien sind bisher sehr positiv ausgefallen, was mich natürlich sehr freut. Ein großer Erfolg ist für mich auch, dass das Buch nur wenige Wochen nach dem Erscheinen bereits in die zweite Auflage geht.
Warum glauben Sie, dass Führung in Teilzeit heute ein relevantes Thema ist?
Unsere Arbeitswelt verändert sich. Damit gehen vor allem zwei Dinge einher, die im Kontext von Teilzeitführung eine Rolle spielen: Zum einen stellen Kandidat:innen heute andere Anforderungen an Unternehmen, als noch vor einigen Jahren. Nicht selten wollten Berufseinsteiger:innen beispielsweise mit einer 4-Tage-Woche ins Arbeitsleben starten oder wünschen sich junge Väter, dass es möglich ist eine längere Elternzeit zu nehmen oder für einige Jahre in Teilzeit zu arbeiten, ohne berufliche Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.
Dem gegenüber stehen Unternehmen, für die es zur Herausforderung wird, qualifizierte Arbeitnehmende für Fach- und Führungspositionen zu gewinnen. Insbesondere Führungsaufgaben haben in den letzten Jahren an Attraktivität verloren – die Hälfte aller deutschen Unternehmen berichtet heute bereits von Schwierigkeiten bei der Besetzung. Dieser sogenannte Fachkräftemangel trifft nahezu alle Branchen und wird sich im kommenden Jahrzehnt weiter verstärken. Bis 2035 rechnet die Bundesregierung mit bis zu sieben Millionen fehlenden Fachkräften. Der Wettbewerb um geeignete Mitarbeitende wird sich also weiter verschärfen, als sich zu entspannen.
Welche Herausforderungen, aber auch welche Vorteile sind damit für die Führungskraft und das Unternehmen verbunden?
Unternehmen profitieren von einem starken und nachhaltig wirksamen Employer Branding Vorteil sowie einer gesteigerten Mitarbeiterbindung, wenn sie flexible Karrierepfade anbieten können. Für Mitarbeitende bedeutet diese Möglichkeit eine bessere Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf und das Gefühl, vom Arbeitgeber in unterschiedlichen Lebensphasen wie Berufseinstieg, Familiengründung oder der Pflege von Angehörigen unterstützt zu werden. Denn das ist genau das, was sich Mitarbeitende heute wünschen.
Wie können Unternehmen eine Arbeitsumgebung schaffen, damit Führung in Teilzeit gelingt? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Eine Unternehmenskultur, die Erfolge stärker an Ergebnissen als an Anwesenheit misst, ist ein zentraler Faktor. In diesen Kontext sind Rollenvorbilder und ein starker Rückhalt für das Modell aus dem Management besonders wichtig. Aber auch auf struktureller Ebene passen sich teilzeitfreundliche Unternehmen an die Bedürfnisse der Teilzeitführungskräfte an. Weiterbildungen und Netzwerkveranstaltungen zum Beispiel finden im Rahmen von Kernarbeitszeiten statt, um die Teilnahme aller Führungskräfte unabhängig vom Arbeitszeitmodell zu ermöglichen. Last but not least möchte ich noch die strategische Einbettung und das Verständnis des Modells auf Ebene der Geschäftsführung und der Führungskräfte im Unternehmen aufzählen. Solange Teilzeit – für Führungskräfte oder andere Mitarbeitende – als Zugeständnis des Arbeitgebers und notwendiges Übel verstanden wird, wird das Modell nie richtig zünden.
Welche Kompetenzen sind Ihrer Erfahrung nach für Führungskräfte in Teilzeit besonders wichtig?
(Potentielle) Teilzeitführungskräfte brauchen vor allem eine Portion Mut und ein gutes Selbstwertgefühl – denn der Weg zur Führungsposition in Teilzeit ist oft kein ganz einfacher. Im „laufenden Betrieb“ sind aus meiner Sicht vor allem ein gutes Selbst- und Zeitmanagement entscheidend – verbunden mit der Fähigkeit an den richtigen Stellen nein zu sagen. Alles übrigens aber Qualitäten, die aus meiner Sicht generell in Führungspositionen wichtig sind. In Bezug auf den individuellen Führungsstil bin ich davon überzeugt, dass sich Führungskräfte mit einem „modernen“ Führungsverständnis, in dem Chef:innen sich eher als Enabler und Unterstützer der Mitarbeiter:innen definieren, leichter tun, als Menschen, denen Kontrolle extrem wichtig ist oder die im Tagesgeschäft stark eingebunden sind.
Und welchen Ratschlag würden Sie einer Person geben, die gerne eine Führungsrolle in Teilzeit übernehmen würde? Vor allem, wenn das eigene Unternehmen bislang bei diesem Thema zurückhaltend war?
Es gibt eine Reihe guter Studien, die zeigen, dass Führung in Teilzeit die Arbeitgeberattraktivität steigert und die Mitarbeiterbindung verbessert. Flexible Arbeitszeiten und die Work-Life-Balance sind heute neben einem guten Betriebsklima und einer marktgerechten Entlohnung die Top 3 Gründe, aus denen Menschen bei einem Arbeitgeber bleiben (vgl. HAYS HR-Report 2023, Mitarbeiterbindung). Und auch wenn es um die Wahl eines Arbeitgebers geht, spielen diese Merkmale heute eine große Rolle. In manchen Organisationen ist auch das Thema Diversität wichtig, insbesondere der Frauenanteil in Führungspositionen. Insbesondere Unternehmen, die bereits der Quote unterliegen, müssen dafür sorgen, ihre Karrierepipeline mit ausreichend erfahrenen Frauen gefüllt zu halten. Das kann nur gelingen, wenn Karriereentwicklung auch über eine eventuelle Familienphase hinweg möglich ist. Gleichzeitig macht es Sinn die eigene Argumentationsstrategie an die Persönlichkeit des oder der Entscheider:in anzupassen. Für faktengetriebene Menschen reichen vielleicht solide Daten zum Thema, andere müssen auf einer anderen Ebene adressiert werden. Manchmal geht es eher um den Kostenaspekt oder die mit dem Arbeitsmodell verbundenen Auswirkungen auf das Umfeld der Teilzeitführungskraft.
Abschließend freuen wir uns, wenn Sie folgende zwei Sätze vollenden:
Wenn ich mir für die Zukunft der Arbeit etwas wünschen dürfte, dann wäre das… dass nicht mehr die Arbeitszeit und Anwesenheit, sondern Leistung und Kompetenz über Karriereoptionen entscheiden.
Wir brauchen in Zukunft mehr flexible Arbeitsbedingungen, weil… wir alle Menschen in Arbeit bringen müssen, die gerne arbeiten möchten. Und zwar in dem Rahmen, der zu ihrem Leben passt und individuelle Rahmenbedingungen berücksichtigt. Das gilt insbesondere auch für Fach- und Führungspositionen, denn gerade hier ist Vollzeitarbeit oft immer noch die Voraussetzung für richtig gute Jobs.