FLOWO: Herr Professor Kunze, Sie leiten das Future of Work Lab der Universität Konstanz. Wie sieht Ihrer Einschätzung nach die Zukunft der Arbeit aus? Vor allem: Welche Rolle spielt das Thema Flexibilität Ihrer Ansicht nach in Zukunft?
Florian Kunze: Ziemlich sicher werden sich Arbeitszeiten und Arbeitsort auch in Zukunft weiter flexibilisieren. Das ist schon ein Trend, der über Jahrzehnte andauert und jetzt durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehende Steigerung von Homeoffice und mobilem Arbeiten nochmal stark an Geschwindigkeit zugenommen hat. Zusätzlich sind wir im Vergleich zu vor 15 oder 20 Jahren in einem Arbeitsmarkt, in dem Beschäftigte sehr viel stärker flexiblere Arbeitsformen wollen und auch einfordern.
Sie befassen sich in Ihrer Forschung unter anderem intensiv mit mobilem Arbeiten. Es mehren sich die Nachrichten von Unternehmen, die die Remote-Tätigkeit ihrer Mitarbeitenden auf ein Minimum reduzieren wollen. Wie ist Ihr Eindruck: Sind es eher große, namhafte Unternehmen, die zum alten „Normalzustand“ zurückkehren möchten?
Generell sehen wir in unserer Konstanzer Homeoffice Studie, dass es Rückkehrmandate erst in 22 Prozent der Unternehmen gibt. Das ist also noch kein Massenphänomen. In der Tat scheint es diesen Trend auch eher bei großen und renommierten Unternehmen zu geben. Meine Hypothese dazu ist, dass sich diese Großunternehmen denken, dass sie es sich auf Grund ihrer Attraktivität leisten können, ihre Mitarbeitenden zurückzuholen. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, die aktuell schon mit Personalengpässen kämpfen, werden sich solche Regelungen noch deutlich schwerer durchsetzen lassen.
Was bedeutet für die Arbeitnehmenden ein solcher Zwang zur Rückkehr ins Büro?
In unserer Konstanzer Homeoffice Studie sehen wir, dass Mitarbeitende, die wieder zur Rückkehr in Präsenzarbeit gezwungen werden, fast doppelt so erschöpft sind, wie diejenigen, die weiter flexibel arbeiten dürfen. Es steht also zu vermuten, dass Fehlzeiten und auch Fluktuation in den Unternehmen mit Präsenzpflicht steigen dürften. Zusätzlich ist auch zu vermuten, dass es eher keinen positiven, sondern einen negativen Effekt auf die Produktivität der Mitarbeitenden geben dürfte, da viele Faktoren, die Motivation und damit auch produktives Mitarbeitendenverhalten beeinflussen, eingeschränkt werden. Hier ist besonders die Einschränkung der Autonomie der Mitarbeitenden, die im mobilen Arbeiten sehr hoch ist und bei einem externen Präsenzzwang stark reduziert werden dürfte, ein entscheidender Faktor, der sich negativ auf Motivation und Produktivität auswirkt.
Es wird viel diskutiert über mögliche Produktivitätsunterschiede zwischen Homeoffice und Büro. Lässt sich dazu überhaupt so pauschal eine verlässliche Einschätzung geben?
Generell ist es schwierig, hier pauschale Aussagen zu treffen, ob Homeoffice oder Büro produktiver ist. Vielmehr ist es hier sinnvoll, stark nach Tätigkeitsprofilen zu differenzieren. Für stark individualisierte Tätigkeiten, wie zum Beispiel Call Center Agenten, gibt es klare Evidenz, dass die Produktivität sogar steigt, wenn diese mobil arbeiten. Bei Tätigkeiten, die viel Interaktion und Austausch in Teams und Abteilungen bedürfen, kann es hingegen sinnvoll sein, stärker in Präsenz zu arbeiten. Meine Empfehlung wäre deshalb, die Möglichkeit des mobilen Arbeitens nach Tätigkeitsprofilen zu differenzieren.
Was würden Sie Unternehmen raten, die für sich noch nach dem richtigen Weg in dieser Frage suchen. Was können sie tun, damit hybride oder auch (annähernd) vollständige Mobile Office-Lösungen für alle Beteiligten gewinnbringend sind?
Wichtig ist hier, Interessen der Mitarbeitenden und der Unternehmensleitung möglichst übereinander zu bringen. Mitarbeiterbefragungen, die das Thema flexible Arbeitsbedingungen beinhalten, sind ein wichtiges Instrument, um die Präferenzen der Beschäftigten mit einzubeziehen. Gleichzeitig sind diese Präferenzen natürlich nicht die einzige Handlungsoption, sondern Unternehmen müssen auch Prozesse und Outputs berücksichtigen, für die manchmal auch wieder eine erhöhte Präsenz im Büro sinnvoll sein kann. Diese Rückkehr aber sinnhaft zu kommunizieren und zu gestalten, zum Beispiel auch durch offene Büroumgebungen, die einen persönlichen Austausch fördern, ist eine der zentralen Aufgaben in der Transformation der Arbeitswelt.
Abschließend freuen wir uns, wenn Sie folgende zwei Sätze vollenden:
Wenn ich mir für die Zukunft der Arbeit etwas wünschen dürfte, dann wäre das… eine Arbeitswelt, in der möglichst viele Mitarbeitende mit einer hohen Selbstbestimmung produktiv arbeiten.
Wir brauchen in Zukunft mehr flexible Arbeitsbedingungen, weil… wir nur so die Potenziale von vielen Erwerbspersonen für Unternehmen und gesamtwirtschaftlich in einem immer knapperen Arbeitsmarkt in Deutschland nutzen können.